„Sustainability“ ist ein Schlagwort, das heute weltweit zu hören ist. Viele Unternehmen wollen nachhaltiger, umweltfreundlicher oder fairer werden. Doch wie geht das, besonders im Onlinehandel? Wie können Sie einen sogenannten „Sustainable Commerce“ realisieren? Hier bekommen Sie ein paar praktische Tipps. Doch zuerst betrachten wir die Ausgangslage.
Die Zerrissenheit der Konsumenten
Im (Online-)Handel gibt es derzeit zwei gegenläufige Strömungen.
- Auf der einen Seite gibt es viele Konsumenten, die den schnellen „Shoppingrausch“ lieben. Sie bestellen Billigware aus China oder folgen dem Fast-Fashion-Trend und kaufen alle paar Wochen eine neue Kleiderkollektion. Nachhaltig ist das nicht.
- Andererseits sind sich immer mehr Kunden bewusst, dass jedes Produkt von der Entwicklung über die Produktion bis zum Versand einen ökologischen Fußabdruck hinterlässt. Diesen gilt es im Sinne des Umweltschutzes zu verringern. Dementsprechend stehen Nachhaltigkeitsaspekte wie ökologische Produktion, Bio-Qualität, Fair Trade und Recyclingfähigkeit hoch im Kurs.
Rund 70 Prozent der Verbraucher achten beim Einkauf auf eine hohe Produktqualität und 68 Prozent ist bei Lebensmitteln das Tierwohl wichtig. Das sind Ergebnisse des „Sustainable Commerce Report 2023“ des österreichischen Handelsverbandes und EY. Und eine Kantar-Studie fand heraus, dass wohl 79 Prozent der Deutschen einen nachhaltigen Lebensstil führen wollen.
Quelle: https://www.kantar.com/de/campaigns/nachhaltigkeitsstudie
Doch: „Die Bereitschaft, persönlichen Verzicht für Nachhaltigkeit in Kauf zu nehmen, hat im Vergleich zu 2021 deutlich abgenommen“, lautet ein Ergebnis des Sustainable Commerce Report 2023. „Vor allem der jüngeren Generation fällt der Verzicht, etwa auf Fast Fashion oder Flugreisen, überdurchschnittlich schwer.“
Vereinfacht könnte man also sagen: Die Verbraucher wissen, dass sie stärker auf Nachhaltigkeitsaspekte achten müssen, tun sich aber noch etwas schwer mit der konsequenten Umsetzung. Dennoch scheint die Gruppe der LOHAS zu wachsen.
Was bedeutet LOHAS?
Die Abkürzung steht für „Lifestyle of Health and Sustainability“. Dahinter verbirgt sich eine Zielgruppe, die sich für einen gesunden und nachhaltigen Lebensstil interessiert.
Das Besondere daran: Die LOHAS-Klientel ist sehr heterogen. Es gibt zum Beispiel Menschen, die strikt vegan leben, nur Bioprodukte kaufen und neuen Technologien kritisch gegenüberstehen. Zu den LOHAS zählen auch Konsumenten, die sich nur teilweise vegetarisch ernähren, sich gelegentlich einen Urlaub in der Natur gönnen, aber trotzdem gerne umweltbelastenden Aktivitäten nachgehen.
Ihre Ansatzpunkte für mehr Nachhaltigkeit im E-Commerce
Wollen auch Sie auf Sustainable Commerce setzen? Dann stehen Sie vor einer großen Herausforderung. Denn es gibt viele Bausteine, die Sie prüfen und vielleicht auch anpassen müssen. Hier einige wesentliche Punkte:
Produktionspartner und Lieferkette
Wählen Sie Ihre Zulieferer sorgfältig aus. Achten Sie darauf, ob diese ihre Produkte wirklich umweltfreundlich und fair herstellen. Prüfen Sie, ob die Grundmaterialien wie Baumwolle oder Holz dem Nachhaltigkeitsgedanken entsprechen.
Auch der Weg zu Ihnen sollte umweltfreundlich und sozial fair sein. Wie wichtig das ist, hat die Politik mit dem „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten“ (auch als „Lieferkettengesetz“ bekannt) bekräftigt.
Vermeidung von Verpackungsmüll
Anstatt alle Bestandteile einer Bestellung einzeln zu versenden, sollten Sie versuchen, so viele Waren wie möglich in einem Paket zu bündeln. Dies könnte bedeuten, dass Sie von Standardverpackungen abweichen und spezielle Verpackungen anschaffen müssen, die besser auf Ihre Produkte zugeschnitten sind.
Setzen Sie zudem auf Recycling-Kartons und Papierumschläge. Und verwenden Sie umweltfreundliche Alternativen wie Wellpappe anstelle von Luftpolsterfolien als Füllmaterial. Eine weitere Möglichkeit wäre der Einsatz von Füllchips aus Maisstärke, die biologisch abbaubar sind.
Nachhaltige Logistik
Jedes verschickte Paket belastet die Umwelt. Daher könnten Sie eine entsprechende CO2-Kompensation als Aufpreis anbieten. Dies erfolgt beispielsweise durch die Unterstützung von Waldaufforstungsprojekten.
Und bei der Auswahl Ihres Logistik-Partners sollten Sie darauf achten, wie nachhaltig dieser arbeitet. Verfügt er beispielsweise über eine Flotte von Elektrobussen? Setzt er viele kleine oder eher wenige, dafür größere Fahrzeuge ein? Erhalten die Mitarbeiter faire Löhne und gehen sie geregelten Arbeitszeiten nach?
Retourenmanagement
Ermutigen Sie Ihre Kunden, nur das zu bestellen, was sie wirklich brauchen. Beispielsweise können Ratgeber-Berichte und gute Onlinetools dabei helfen, die richtigen Schuhe oder das perfekte Smartphone zu finden. Sie könnten auch darüber nachdenken, ob Sie für Retouren einen Aufpreis verlangen.
Zudem sollten Sie sich noch diese Fragen stellen: Wie geht Ihr Unternehmen mit Retouren um? Werden diese einfach vernichtet? Oder prüfen Sie, ob die zurückgegebene Ware noch verwendbar ist? Und versuchen Sie, die retournierten Produkte weiterzuverkaufen oder zu recyceln?
Ausbau von Green IT
Eine weitere wichtige Maßnahme für den nachhaltigen Handel ist die Verbesserung der IT-Systeme. Server, Cloud-Infrastrukturen, Einzelplatzrechner, Tablets: All diese Komponenten benötigen Strom. Sehr viel Strom sogar!
Quelle: https://de.statista.com/infografik/27846/stromverbrauch-von-deutschen-rechenzentren-und-kleineren-it-installationen-pro-jahr/
Um nachhaltiger zu werden, sollte Ihr Unternehmen vollständig auf Ökostrom setzen. Entweder produzieren Sie ihn selbst oder Sie kaufen ihn ein. Achten Sie zudem bei der Wahl Ihrer Dienstleister darauf, wie diese ihre IT-Infrastrukturen betreiben. Setzen Sie zum Beispiel auf „Green Hoster“.
Passen Sie auch Ihre Arbeitsweisen an. Ist es beispielsweise notwendig, für Besprechung quer durch Deutschland zu reisen oder für Partnergespräche internationale Flüge zu buchen? Setzen Sie sich in Ihrem Unternehmen für eine Reduzierung von Geschäftsreisen und die vermehrte Nutzung von Videokonferenzen ein.
Konsumentenbrille aufsetzen
Wechseln Sie die Perspektive. Fragen Sie sich aus Kundensicht, wie Ihr Unternehmen und Ihr Online-Handel nachhaltiger werden sollten. Was könnte für Ihre Zielgruppe wichtig sein, woran Sie aus Unternehmenssicht noch nicht gedacht haben? Lesen Sie dazu die Onlineshopping-Tipps des Umweltbundesamtes und befragen Sie Ihre Kunden ganz konkret.
Wichtig ist auch, dass Sie Sustainable Commerce nicht zu einem einmaligen Projekt machen, das Sie nach x Wochen oder Monaten beenden. Bleiben Sie am Ball und finden Sie kontinuierlich neue Stellschrauben, an denen Sie drehen können.
Wichtig: Betreiben Sie kein Greenwashing!
Haben Sie bereits erste Maßnahmen für nachhaltiges Wirtschaften umgesetzt? Klasse! Das wollen Sie sicher auch kommunizieren. Tun Sie das - aber betreiben Sie kein Greenwashing.
Wenn Sie Ihr Unternehmen „grüner“ darstellen, als es tatsächlich ist, gilt das als Täuschung. Fliegt Ihre „Umfärbung“ auf, führt das zu Recht zu Kritik, unter Umständen zu Klagen, schlechter Presse und einem Shitstorm in den sozialen Netzwerken. Somit: Übertreiben Sie es nicht mit Ihren PR- und Marketing-Aktionen!
Fazit
Sustainable Commerce ist ein wichtiger Trend. Ihm zu folgen, ist gar nicht so schwer. Und es lohnt sich, Ihren Onlinehandel fairer und umweltfreundlicher zu gestalten. Ihre Mitarbeiter, Ihre Geschäftspartner, Ihre Kundschaft und unsere Umwelt werden es Ihnen danken. Darüber hinaus kann das Vorhaben, Ihr Unternehmen nachhaltiger zu gestalten, auch ein Motor für mehr Effizienz und ein Boost für Ihre digitale Transformation sein.