Willkommen in der Welt der Fachbegriffe und Glaubensfragen
Wenn Sie geklärt haben, warum Ihr Unternehmen in den digitalen Vertrieb einsteigen sollte und welche technischen Aspekte dafür zu erfüllen sind, geht es an die nächste Frage: Wie soll Ihr E-Commerce-Projekt realisiert werden? Anders ausgedrückt: Nach welcher Vorgehensweise und Methode wird Ihr Onlineshop quasi zum Leben erweckt?
Für die Klärung der Frage haben Sie drei Ansätze zur Auswahl:
1) Klassisches Projektmanagement
2) Agile Entwicklung
3) Hybrides Vorgehen
Jeder Ansatz bietet Besonderheiten und gewisse Vor- und Nachteile. Diese zeigen wir Ihnen hier kurz und verständlich auf.
Klassisches Projektmanagement aka Wasserfall-Modell
Ein typisches Projekt hat einen Anfang und ein Ende, dazwischen gibt es zahlreiche Meilensteine. Die Meilensteine verteilen Sie auf verschiedene Phasen, zum Beispiel auf Konzeption, Design, Programmierung und Testen. Jede Phase wird erst begonnen, wenn die vorherige abgeschlossen ist.
Zur Darstellung Ihres Projektplans platzieren Sie die einzelnen Abschnitte auf einem Zeitstrahl und ordnen sie leicht versetzt untereinander an. Hierdurch entsteht ein Bild, das wie die Kaskaden eines Wasserfalls aussieht. Deshalb nennt man diese Vorgehensweise Wasserfall-Modell (englisch: Waterfall Model).
Das Wasserfall-Modell kommt seit Jahrzehnten im Projektmanagement zum Einsatz. Auch in der Softwareentwicklung hat es sich bewährt, da es zu den typischen Releasezyklen der Industrie passte. Wenn geplant war, die neue Fassung von Produkt X am Tag Y zu verkaufen, konnte der Projektmanager die verfügbare Zeit “zerlegen” und die Aufgaben entsprechend verteilen.
Flexible Softwareentwicklung aka Agile
Heutzutage ist die Softwareentwicklung, wozu auch die Umsetzung eines Onlineshops zählt, viel schneller getaktet. Projekte werden nicht mehr über Jahre oder Monate geplant, umgesetzt und veröffentlicht. Stattdessen gilt es, innerhalb weniger Tage oder Wochen erste Ergebnisse zu präsentieren. Danach folgen in kurzem Abstand regelmäßig neue Updates.
Ein digitales Produkt ist somit eigentlich nie fertig. Es befindet sich - überspitzt formuliert - im dauerhaften Beta-Modus. Ein Beispiel: Wussten Sie, dass Amazon mehrmals am Tag ein neues Release seiner Plattform veröffentlicht? Derartiges ist mit dem Wasserfall-Modell nur schwer plan- und umsetzbar. Um den hohen Output ermöglichen zu können, benötigen Sie eine neue Vorgehensweise namens Agilität.
Agile Unternehmenskulturen, Frameworks und Methoden basieren auf dem PDCA-Kreislauf. Das Akronym steht für:
● Plan
● Do
● Check
● Act
Erfunden wurde dieses Vorgehen von William Edwards Deming, weshalb man auch vom Deming Cycle spricht.
Folgen Sie und Ihr Team dem PDCA-Zyklus, bedeutet das: Sie konzipieren ein neues Feature, setzen es um, veröffentlichen es und holen das Feedback der Nutzer ein. Auf Basis des Feedbacks und Ihrer offenen Ideen wird der nächste Zyklus geplant und umgesetzt.
Diesen Kreislauf wiederholen Sie fortwährend und in kurzen Intervallen. Deshalb ist es wichtig, dass pro Zyklus nur wenige Features im Fokus stehen. Für die Anwendung des Deming Cycle haben sich in den letzten Jahren verschiedene Arten der Umsetzung etabliert. Dazu gehören Kanban, DevOps und Scrum.
Wie funktioniert Kanban?
Kanban erleichtert Ihnen die Arbeit in einem agilen Team. Die optische Umsetzung kennen Sie sicherlich: Es gibt eine große Tafel, an der zahlreiche Zettel kleben.
Jeder Zettel steht für eine Aufgabe, den Sie zuerst in die linke Spalte kleben. Diese wird mit “To Do” beschriftet. Die darauffolgenden Spalten heißen in der Regel “In Progress”, “Testing” und “Done.”
Jedes Teammitglied nimmt sich einen Zettel, klebt ihn in die Spalte “In Progress” und bearbeitet die Aufgabe. Wurde die Aufgabe erledigt, wandert der Zettel in den Bereich “Testing”. Verläuft der Test positiv, kommt das Post-it in die Spalte “Done”. Selbstverständlich können Sie den ganzen Prozess auch mit Tools wie Asana und Trello digital abbilden.
Kanban hat ein paar Besonderheiten. Zum einen funktioniert es nach dem Pull-Prinzip, da sich jedes Teammitglied frei für eine passende Aufgabe entscheiden kann und dann die Verantwortung dafür übernimmt. Zum anderen dürfen pro Zyklus nur wenige Tasks bearbeitet werden. Ansonsten ist das schnelle Tempo der Agilität nicht schaffbar.
Was bedeutet DevOps?
In der Softwareentwicklung gibt es eigentlich eine klare Trennung zwischen Entwicklung (Development) und Betrieb (Operation). Während Designer und Programmierer meist möglichst viele Features umsetzen möchten, sind Administratoren an einer stabilen, sicheren Infrastruktur ohne Veränderungen interessiert. In der Folge entsteht ein Zwist zwischen den Parteien.
Diesen Zwist lösen Sie beim DevOps-Ansatz auf, denn Sie lassen Development und Operations zu DevOps verschmelzen. Damit das gelingt, wenden Sie das CAMS-Modell an. CAMS bedeutet:
● Culture
● Automation
● Measurement
● Sharing
Die Basis für DevOps stellt die neue Kultur (= Culture) dar, bei der Sie die Trennung zwischen Entwicklung und Betrieb in eine Zusammenarbeit überführen. Für die enge und schnelle Kooperation benötigen Sie Tools, um Prozesse zu automatisieren (= Automation). Das gelingt über Programme wie GitHub und Jenkins, die eine Continuous Integration und Continuous Delivery ermöglichen.
Wie immer in der agilen Entwicklung ist das Überprüfen und Analysieren der Ergebnisse (= Measurement) wichtig, ebenso der Austausch zwischen den Beteiligten (= Sharing).
Wie funktioniert Scrum?
Apropos Sprints: Diese kurzen Intervalle sind ein elementarer Bestandteil von Scrum. Hierbei handelt es sich wohl um das beliebteste Framework in der agilen Softwareentwicklung. Um es anwenden zu können, müssen Sie zuerst neue Positionen und Strukturen schaffen.
So wird dem Produktmanager und Projektmanager noch ein Product Owner zur Seite gestellt, wobei in kleinen Unternehmen oder Teams eine Person alle drei “Hüte” auf hat. Der Product Owner definiert unter anderem die Eigenschaften Ihres Onlineshops und ist für den wirtschaftlichen Erfolg verantwortlich.
Der Scrum Master kümmert sich darum, dass der agile Prozess funktioniert. Er räumt Hindernisse aus dem Weg, indem er zum Beispiel die Kommunikation im Team fördert und einzelnen Personen mental zur Seite steht. Das Entwicklungsteam setzt die Anforderungen, die in einem Entwicklungszyklus - dem Sprint - anstehen, um.
Nach der Entwicklung, dem Testing und der Veröffentlichung folgt das Review und die Planung des nächsten Sprints.
Was sind die Vor- und Nachteile der agilen Onlineshop-Entwicklung?
Wenn Sie schnelle Release-Zyklen haben, bringt das mehrere Vorteile mit sich. So können Sie in kurzer Zeit erste Ergebnisse sehen und an Ihren Zielgruppen testen. Mit dem MVP, dem Minimum Viable Product, erkennen Sie, ob Ihr Konzept angenommen wird oder nicht. Und sie bekommen die Möglichkeit, Ihren Onlineshop anhand des Kundenfeedbacks weiterzuentwickeln. Denn wie heißt es so schön: “Der Wurm muss dem Fisch und nicht dem Angler schmecken!”
Die agile Entwicklung hat allerdings einen großen Nachteil: Viele Dinge lassen sich nicht genau planen. Wenn Sie wirklich den Wünschen Ihrer User bzw. Kunden folgen, wissen Sie nicht, wie Ihr Onlineshop in einem Jahr aussehen wird und was die Umsetzung kostet. Dieses Vorgehen ist natürlich allen Budgetplanern ein Dorn im Auge!
Hier spielt das Wasserfall-Modell seine Trümpfe aus: Bei dieser Projektmanagement-Methode planen Sie im Detail, wie die einzelnen Milestones aussehen und was sie kosten. Das gibt dem Controlling wie auch dem gesamten Entwicklungsteam mehr Planbarkeit.
Lassen sich klassisches Projektmanagement und Agilität verschmelzen?
Ja. Bei einem hybriden Vorgehen müssen Sie versuchen, die Pluspunkte aus beiden Welten unter einen Hut zu bringen. Beispielsweise können Sie das Projekt - die Entwicklung Ihres Onlineshops - ganz klassisch in mehrere Meilensteine unterteilen und hierfür grobe Feature-Vorgaben machen. Diese lassen sich mit einem ungefähren Preis versehen. Die Umsetzung innerhalb der Meilensteine erfolgt aber nicht starr, sondern nach Scrum.
Neben dieser Vorgehensweise gibt es noch unzählige weitere Ausprägungen des hybriden Projektmanagements. Am Ende müssen Sie eine Weg finden, der für Ihr Team und alle Stakeholder am besten funktioniert.
Wichtig ist immer: Seien Sie stets flexibel! Auch wenn Sie sich für eine rein agile Onlineshop-Entwicklung nach Scrum entscheiden, heißt das nicht zwangsläufig, dass Sie darauf festgenagelt sind. Passen Sie das Framework Ihren Gegebenheiten an. Am Ende geht es darum, dass Sie Ihr Vorhaben möglichst schnell, in hoher Qualität und im Budgetrahmen vorantreiben können.